Komplexität medialer Wissensökologien zwischen Partizipation, Dividuation und Intervention

Eine Streitgespräch zu emergierenden dokumentarischen Ausdrucksformen im Digitalen

Thomas Weber (Universität Hamburg), Anna Wiehl (Universität Bayreuth),
Jasmin Kermanchi (Universität Hamburg)

Dokumentarische Filme spielen eine wichtige Rolle als Kulturtechnik und als Archiv zur Aufzeichnung und Weitergabe von Wissenswelten. Durch neue Technologien verändert sich die digitalen Ausdrucksformen des Dokumentarischen: Es entstehen vernetzt-vernetzende Praktiken der audiovisuellen Wissensproduktion. Dabei werden kooperative, kollaborative Prozesse zu Voraussetzungen eines sozio-kulturellen und insbesondere auch politischen Versprechens von Partizipation im Kontext von interactive documentaries (i-docs), einem weiten Spektrum, welches web-documentaries, alle Formen von living documentaries bzw. open space documentaries umfasst, gleichsam aber transmediale Praktiken sowie Projekte aus dem Bereich kollaborativer künstlerischer Forschung und des interventionist media making.

Das geplante #Improvisations-Panel zeigt die Potentiale von kooperativen, kollaborativen und kokreativen Praktiken von web-documentaries im Hinblick auf die Konstruktion neuer, komplexer Wissenswelten auf und dekonstruiert zugleich den damit verbundenen Anspruch auf Partizipation. Bedeutungsvariationen von Partizipation werden ebenso kritisch befragt wie dier aus kollaborativen Prozessen erwachsende Komplexität. Zentral ist hierbei die differenzierende, kontextualisierende, durchaus auch kontrovers-kritische Diskussion von in verschiedenen Disziplinen unterschiedlich aufgefassten Konzepten: Kollaboration, Kokreation und Kooperation und Partizipation als Modi von Interaktion wie in vielen i-docs (Gantier, Nash, Gaudenzi u.a.), als politischer Anspruch auf Teilhabe (Rheingold), als kulturelle Dividuation (Ott), als Bewältigung zunehmender Komplexität in Form polyphoner Pluriperspektivik (Zimmermann, Aston, Odorico) und Collective Wisdom (Cizek und Uricchio), sowie als Option im Umgang von Ungewissheit und Dissens einschließende relationale Bezugnahme oder Neuaufteilung der Sinne (Rancière).

Kurze, thesenhaften (asynchrone) Impulsbeiträge (Videos oder kurze aufgezeichnete Folienpräsentationen) leiten mehrere Diskussionsrunden eines Streitgesprächs ein, in dem Anna Wiehl, Jasmin Kermanchi und Thomas Weber ihre jeweils unterschiedlichen Sichtweisen auf die neuen digitalen Formate dokumentarischer Projekte und das von ihnen partizipativ generierten Wissens darlegen. In die Diskussion wird auch das Publikum mit einbezogen. So wird das Thema selbst zur Methode: Gemeinsam erfolgt eine durchaus Dissens aushaltende polyphone Auseinandersetzung mit emergierenden Wissensökologien in digitalen Medien, durch dokumentarische Praktiken.